Distanz & Nähe – alles steht Kopf.
Wie wir als Eltern unseren Kindern auch in der Pubertät nah sein können.
Die Pubertät ist wie eine wilde Wellenfahrt: Gestern noch vertrautes Kind, heute ein Teenager, dem die eigene Unabhängigkeit plötzlich wichtiger ist als das gemeinsame Abendessen. Für Eltern kann das ganz schön schmerzhaft sein. Freunde werden zum wichtigsten Bezugspunkt und das Ticken im Hintergrund fühlt sich manchmal so an, als würde man langsam aus dem Rampenlicht auf die Zuschauertribüne verbannt. Das ist der Lauf der Dinge – und dennoch eine Herausforderung für Herz und Alltag
Das Dilemma: Zwischen Nähe und Abkapselung liegt Verunsicherung
Wie fühlen sich eigentlich Eltern in dieser Zeit?
In dieser Phase erleben Eltern das gesamte Wechselbad der Gefühle: Mal stolz, mal irritiert, oft ein bisschen wehmütig, vielleicht auch wütend oder überfordert. Das bis jetzt vertraute Familienleben wird ordentlich aufgemischt – durch neue Grenzen und Rückzugsmomente. Plötzlich steht man im Flur, hört die Musik aus dem Teenagerzimmer und weiß nicht mehr, ob man anklopfen oder einfach nur einen Snack vor die Tür stellen sollte. Die Unsicherheit ist nicht selten – ist man zu aufdringlich? Ignoriert man womöglich wichtige Probleme? Und vor allem: Wie bleibt man relevant, wenn Freunde scheinbar alles sind, Eltern aber nur noch für das WLAN-Passwort gefragt werden.
Diese Situationen können verunsichern und oft stellt sich die Frage: Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich jetzt zu viel, zu wenig präsent? Eltern schwanken zwischen Sorge um den Kontakt und dem Wunsch, ihr Kind in die Selbstständigkeit zu entlassen – manchmal begleitet von Frust, Traurigkeit oder auch einer Prise Humor, wenn die pubertäre Logik so gar nicht zum erwachsenen Denken passt.
Die Pubertät ist also auch für Eltern eine Achterbahnfahrt, bei der das eigene Loslassen und Neuzulassen gefragt ist. Sich auf diese neuen Dynamiken einzulassen und die eigene Rolle immer wieder neu zu finden, ist ein herausfordernder, aber auch wertvoller Lernprozess
Nähe anbieten, Distanz akzeptieren
Zuviel Nähe wirkt kontrollierend, zu viel Distanz kann Unsicherheit und Entfremdung fördern. Eltern dürfen lernen, dass „Nein, danke!“ nicht immer Ablehnung bedeutet, sondern vielleicht die Einladung, in zehn Minuten doch gemeinsam einen Tee zu trinken. Der Schmerz des Zurücktretens ist normal; er ist Teil der Entwicklung – auf beiden Seiten.
Jenseits von Regeln: Wie bleibt echte Nähe?
Mehr als Hausaufgaben und Zimmer aufräumen.
Wenn die Gespräche nur noch um Pflichten kreisen, geht die eigentliche Verbindung verloren. Nähe entsteht, wenn Eltern Interesse – ohne Bewertung – an Alltag und Gedanken zeigen. Offene Fragen, gemeinsames Kochen, kurze Autofahrten oder ein Spruch, der zum Lachen bringt, können Fenster öffnen, wo Türen gerade geschlossen bleibenNeue Tagesrhythmen, früher aufstehen, sich nach Stundenplänen richten.
Pubertierende brauchen Freiraum, aber gleichzeitig auch das heimliche Gefühl von Rückhalt.
Alltagsnahe Tipps für Eltern in der Pubertät
Gesprächsangebote machen – ohne Druck
„Ich bin da, wenn du reden magst.“ Geduld und Offenheit schaffen Vertrauen, auch wenn die Antwort oft erstmal „Alles gut“ lautet.
Gemeinsame Momente suchen – und neue entdecken
Wichtig ist es, bereit zu sein, dass das was bisher gemeinsam gut funktioniert hat, jetzt vielleicht nicht mehr passt. Gemeinsame Aktivitäten mit Jugendlichen sind oft eine echte Herausforderung – denn Vorschläge für Ausflüge oder gemeinsame Mahlzeiten werden gerne abgelehnt oder mit einem Augenrollen quittiert. Trotzdem lohnt es sich, kleine Gelegenheiten im Alltag zu nutzen, auch wenn es einfach mal nebeneinander auf dem Sofa ist, ohne zu reden. Ein kurzer Plausch beim Weg zum Supermarkt, eine gemeinsam gekochte Pizza oder ein zufälliges Gespräch beim Fernsehen – solche Momente müssen nicht geplant oder lang sein. Sie entstehen spontan und gewinnen dadurch Gewicht. Es zählt weniger, was oder wie lange man zusammen macht – sondern dass man signalisiert: „Ich bin da und halte dir die Tür offen, wenn du bereit bist.“
Und manchmal führt ein lockerer Spruch oder gemeinsames Lachen über einen lustigen TikTok-Trend zu mehr Nähe als ein stundenlanger Familienausflug. Jeder kleine Moment, in dem man sich begegnet, hinterlässt Spuren – auch wenn es von außen unspektakulär wirkt.
Privatsphäre achten
Dieser Punkt ist vielen Teenagern besonders wichtig: ihr geschützter, ungestörter Rückzugsort.
Anklopfen, akzeptieren, nicht alles hinterfragen. Respekt vor Rückzug zeigt Verständnis; so bleibt die Tür für echte Begegnungen offe
Abmachungen statt starrer Regeln
Flexible Vereinbarungen zu Ausgehzeiten oder Mediennutzung sind oft ein Drahtseilakt – denn Teenager testen gerne Grenzen und argumentieren leidenschaftlich für mehr Freiheit. Eltern stehen dann oft vor der Herausforderung, einerseits Orientierung zu geben und andererseits mehr Entscheidungsspielraum zuzulassen. Es ist völlig normal, dass getroffene Absprachen immer wieder hinterfragt oder neu verhandelt werden – hier sind Gelassenheit, Geduld und die Bereitschaft zum Kompromiss gefragt. Nicht jede Vereinbarung klappt beim ersten Versuch reibungslos, und manchmal gilt es, klare Konsequenzen zu kommunizieren, aber auch erste kleine Eigenverantwortung zuzulassen. Entscheidend ist, im Gespräch zu bleiben, die eigenen Werte authentisch zu vertreten und den Jugendlichen zu vermitteln: Regeln gibt es nicht aus Prinzip, sondern weil sie Schutz und Halt bieten – und weil gegenseitiges Vertrauen wachsen darf.
Eigene Interessen (wieder mehr) pflegen
Perspektivwechsel: das Kind wird größer und fordert mehr Selbständigkeit und Abstand – das heißt für uns Eltern auf der anderen Seite auch wieder mehr Freiraum für uns.
Das heißt, auch Eltern dürfen wachsen, neues probieren oder endlich wieder ein altes Hobbie aufnehmen und ihre Sozialkontakte wieder aktivieren. Das stärkt unsere eigene Gelassenheit und bringt frischen Wind ins Familienleben.
Fazit: Ihr macht das gut!
Elternschaft in der Pubertät ist oft eine Gratwanderung zwischen Loslassen und Haltgeben. Der Abstand, der entsteht, ist nicht das Ende der Beziehung, sondern der Anfang einer neuen, reiferen Nähe. Mit Geduld, Humor und Herz können Eltern Teil der Reise bleiben – auch wenn sie zwischendurch nur noch bei den Credits genannt werden.
Wenn ihr in dieser wilden Phase Unterstützung, Austausch oder neue Impulse sucht, meldet euch bei mir – gemeinsam finden wir Wege durch das kreative Chaos der Pubertät!
Ich wünsche euch eine gute Zeit mit eurem Teenager!